2002, DIRETTISSIMA/HASSE-BRANDLER (VIII+), Große Zinne, ItalienDie Drei Zinnen im Abendlicht. © Michael Meisl
2002, DIRETTISSIMA/HASSE-BRANDLER (VIII+), Große Zinne, ItalienWie ein Schiffbrüchiger in einem Meer gelbüberhängenden Dolomits. 300 Meter über Grund klettert Alexander in die Schlüsselseillänge der Direttissima hinein. © Heinz Zak
2002, DIRETTISSIMA/HASSE-BRANDLER (VIII+), Große Zinne, ItalienAlexander free solo in der Direttissima. © Heinz Zak
2002, DIRETTISSIMA/HASSE-BRANDLER (VIII+), Große Zinne, Italien Bild links: Die Angst löst die notwendige volle Konzentration aus, die Weltreduziert sich auf die wenigen Quadratzentimeter des nächsten Griffes.Bild rechts: Das Leben hängt an den Fingerspitzen. © Heinz Zak
2003, OPPORTUNIST (X), Schleierwasserfall, ÖsterreichAlexander klettert free solo die Route Opportunist (X)am Schleierwasserfall, Tirol. © Michael Meisl
2004, KOMMUNIST (X+), Schleierwasserfall, Österreich…auf dem Weg zur Schlüsselstelle. Alexander free soloim Kommunist am Schleierwasserfall, Tirol. © Heinz Zak
2004, KOMMUNIST (X+), Schleierwasserfall, ÖsterreichAlexander am Schlüsselzug. © Heinz Zak
2004, KOMMUNIST (X+), Schleierwasserfall, Österreich…die letzten schweren Züge. © Heinz Zak
2004, MESCALITO (IX+), Karlstein, DeutschlandAlexander free solo in der Route Mescalito, Karlstein. © Michael Meisl
2006, DENT DU GÉANT, SÜDWAND (VII+), Montblanc, Italien/FrankreichDie Südwand am Dent du Géant, 4.013m, Montblanc. © Franz Hinterbrandner
2006, DENT DU GÉANT, SÜDWAND (VII+), Montblanc, Italien/FrankreichHeadline. Dies ist ein Blindtext ohne Inhalt, Sinn undGehalt, einfach nur zur Darstellung im Layout platziert.
2006, DENT DU GÉANT, SÜDWAND (VII+), Montblanc, Italien/FrankreichAm Ende der Schlüsselstelle in der dritten Seillänge. © Franz Hinterbrandnerç
2006, DENT DU GÉANT, SÜDWAND (VII+), Montblanc, Italien/FrankreichIn der Schlüsselstelle der dritten Seillänge. © Franz Hinterbrandner
2008, GRAND CAPUCIN, SCHWEIZERFÜHRE (VII+), Montblanc, FrankreichBild links: Die Ostwand des Grand Capucin. Bild rechts: Im Einstiegscouloir. © Heinz Zak
2008, GRAND CAPUCIN, SCHWEIZERFÜHRE (VII+), Montblanc, FrankreichBild rechts: Die erste schwierige Kletterstelle. Bild links: Genau die gleicheStelle mit Teleobjektiv vom Gipfel desTrident aus gesehen. © Heinz Zak
2008, GRAND CAPUCIN, SCHWEIZERFÜHRE (VII+), Montblanc, FrankreichRisse und Wandkletterei im steilen Granit charakterisieren die Schweizerführe. © Heinz Zak
2008, GRAND CAPUCIN, SCHWEIZERFÜHRE (VII+), Montblanc, FrankreichIm kompakten Granit sollte man seine Nerven im Griff haben... © Heinz Zak
2008, GRAND CAPUCIN, SCHWEIZERFÜHRE (VII+), Montblanc, FrankreichVertrauen in der Kraft der Finger und in die mentale Kraftsind unbedingte Voraussetzung. © Heinz Zak
2008, GRAND CAPUCIN, SCHWEIZERFÜHRE (VII+), Montblanc, FrankreichGerade noch zu erkennen... ein kleiner Mensch inmittender Ostwand des Grand Capucin. © Heinz Zak
2008, GRAND CAPUCIN, SCHWEIZERFÜHRE (VII+), Montblanc, FrankreichDie Headwall an der Schweizerführe hoch oben am Grand Capucin. © Heinz Zak
2008, GRAND CAPUCIN, SCHWEIZERFÜHRE (VII+), Montblanc, FrankreichDie Headwall an der Schweizerführe hoch oben am Grand Capucin. © Heinz Zak
2008, GRAND CAPUCIN, SCHWEIZERFÜHRE (VII+), Montblanc, FrankreichFast schon am Gipfel. Die letzten schwierigen Meter der Schweizerführe. © Heinz Zak
2008, LOCKER VOM HOCKER (VIII), Schüsselkarspitze, ÖsterreichDer Riss gibt die kletterbare Linie klar vor. Alexanderin der ersten Seillänge (VIII-). © Michael Meisl
2008, LOCKER VOM HOCKER (VIII), Schüsselkarspitze, ÖsterreichAlexander in der berühmten, mauergleichen ersten Seillänge (VIII-). © Heinz Zak
2008, LOCKER VOM HOCKER (VIII), Schüsselkarspitze, ÖsterreichNicht nur Kraft sondern vor allem auch eine exzellente Technik sind dieVoraussetzung um die Schwierigkeiten im Griff zu haben. © Heinz Zak
2008, LOCKER VOM HOCKER (VIII), Schüsselkarspitze, ÖsterreichNicht steil, aber glatt. Die dritte Seillänge (VIII) ist dieSchlüssellänge und hat es in sich. © Heinz Zak
2009, MURCIANA (VII+), Mallos de Riglos, SpanienBild links: Die Linie der Route Murciana am Mallo Pison. Bild rechts: Durchgehendüberhängend und anhaltend schwer. Alexander free solo in der Murciana. © Heinz Zak
2009, MURCIANA (VII+), Mallos de Riglos, SpanienEin einziger steiler Kartoffelacker. Das Konglomeratgestein derMallos de Riglos bietet atemberaubende Kletterei. © Heinz Zak
2009, MURCIANA (VII+), Mallos de Riglos, SpanienDie Schlüsselstelle nach 200 Meter Klettern. © Heinz Zak
2006
Free
Solo
Alpen
FREE SOLO
in der Direttissima
Text: Alexander Huber
Free Solo - das ist Klettern in seiner reisten Form: ohne Seil, ohne Gurt, ohne Sicherung im senkrechten Fels. Free Solo ist die direkte, ungeschminkte Auseinandersetzung zwischen Berg und Mensch, in einer Intensität, wie man sie sonst nicht findet.
Nirgendwo sonst zählt die mentale Kraft in einem so überragenden Maß. Hier kann man den Berg nicht mit seiner physischen Kraft besiegen, denn es ist nicht der Berg, den man bezwingt, sondern das eigene Ich.
Free Solo. Zwei kurze Worte, die den Inbegriff der Kletterkunst beschreiben. Diese Vorstellung, dass das Leben nur noch an den Fingerspitzen hängt, zog mich in seinen Bann, meine Gedanken begannen zu wandern, gingen auf eine Reise ins noch Unbekannte. Ich stellte mir vor, wie es sein würde, in dieser und jener Route, die ich schon geklettert war, free solo unterwegs zu sein. Und ich träumte davon, irgendwann einmal eine der großen Wände der Alpen free solo zu durchsteigen. Doch bevor ich diesen Traum tatsächlich verwirklichen konnte, mussten noch viele Lehrjahre folgen. Erst die Summe meiner gemachten Erfahrungen und die vielen zurückgelegten Klettermeter brachten mich irgendwann in die Nähe der Verwirklichung meines Traumes.
Im Sommer 2002 entschied ich mich schließlich, dieses Projekt ganz konkret ins Auge zu fassen: die Direttissima an der Großen Zinne. Gemeinsam mit dem Tiroler Guido Unterwurzacher hatte ich die Route on sight geklettert. Nachdem ich nochmals intensiv mit Michi Althammer in der Route trainierte, fühlte ich mich bereit.
Beim Losklettern spürte ich den Druck, kämpfte mit den schwarzen Gedanken, stieg noch einmal zurück. Noch nie hatte ich eine derart hohe Intensität in den Bergen verspürt! Ich versuchte mich zu beruhigen und motivierte mich für einen neuen Versuch – zumindest bis zur ersten schwierigen Stelle.
Ich kletterte los. Langsam, aber mit jedem Meter mehr, löste sich meine Anspannung. Die Bewegungen wurden lockerer, befreit vom übermächtigen Druck verschwand die lähmende Wirkung der schwarzen Gedanken. Durch das Klettern gewann ich mehr und mehr Kontrolle über die Angst. Nach weniger als zehn Minuten erreichte ich schließlich den »Point of No Return«. Doch jetzt, achtzig Meter über dem Einstieg war es nur ein kurzes, unscheinbares Anhalten in der Bewegung und ich kletterte weiter.
Ich tauchte ein in die Welt des Free-Solo-Kletterns, verlor mich in den einzelnen Bewegungen. Wie von selbst stieg mein Körper nach oben, nahm mich mit und erst am Ende der Schwierigkeit wurde der Spielraum für die Gedanken wieder größer. Ich tauchte auf, nahm die Umwelt wieder wahr, die Tiefe unter mir, die Wolken über mir. Je weiter ich nach oben kam, umso ruhiger wurde ich – wie ein Fluss, der sich nach der Unruhe in den Stromschnellen in den weiten Ebenen seines Deltas verliert.
Die Hasse-Brandler wurde 1958 durch Dietrich Hasse, Lothar Brandler, Jörg Lehne und Sigi Löw erstbegangen und galt als die damals schwierigste Felskletterei der Alpen. 1987 wurde sie von Kurt Albert und Gerold Sprachmann erstmals rotpunkt durchstiegen und gehörte nach der Befreiung erneut zu den schwierigsten alpinen Freiklettereien.
Durch das fast zwangsläufig notwendige Nicht-Benutzen brüchiger Griffe und durch das Zusammenhängen mehrerer Seillänge ohne wirklich Rastpunkte ergeben sich beim Free-Solo-Klettern Schwierigkeiten, die gut im glatten neunten Grad angesiedelt sind.
FREE SOLO IM
ZEHNTEN GRAD
Text: Alexander Huber
Mittwoch, 19. Februar 2003: Ich treffe mich mit Michi Meisl am Schleierwasserfall. Der Opportunist steht auf dem Plan. Falls es heute passt, werde ich zuschlagen. Der Michi hat die Kamera dabei, weil ich ihn gebeten habe, ein paar Aufnahmen zu machen. Welche Aufnahmen er machen sollte, habe ich ihm allerdings nicht gesagt.
Wir sind oben, sitzen auf der roten Bank. Ich bin ruhig, nicht die Spur nervös. Ich wärme mich auf, in dem ich ein paar Expressschlingen aus der Wand hole, die auf Fotos stören würden. Michi stutzt schon.
Ich bouldere ein bisschen. Michi macht Fotos. Noch mal Pause. Dann mache ich mich fertig. Michi stutzt wieder, als ich frage, ob alles passt.
Keine weitere Konzentrationsphase, nichts - Michi kann gar nicht glauben, dass ich schon einsteige. Bevor er richtig zum Nachdenken kommt und mich mit dem Teleobjektiv eingefangen hat, bin ich schon die ersten drei Meter oben:
»Nur eine Minute vor seinem Vorhaben weihte mich Alexander ein. Es folgte ein klassisches huberisches Aufwärmprogramm – das gerade mal aus dem Entfernen einiger auf den Fotos störender Expressschlingen bestand. Vergeblich wartete ich auf einen in sich gehenden, sich konzentrierenden Spitzenkletterer, der sich auf einen Nervenkitzel der besonderen Art vorbereitet. Vor mir stand ein bestens gelaunter Alexander, dessen Anspannung gerade mal darin bestand, ob er eine von mir mitgebrachte Wollmütze mit einem eingewebten Irokesenkamm aufsetzen soll oder nicht. Die Mütze wurde zur Seite gelegt, eine kurze Nachfrage, ob bei mir alles ok ist und ehe ich ihn mit meinem Teleobjektiv im Bild eingefangen hatte, waren die ersten Züge schon abgespult. Durch das eingeschränkte Blickfeld des Suchers meiner Spiegelreflexkamera beobachtete ich, wie er mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks Zug um Zug abspielt. Die Feder ist gespannt und mit jedem Meter mehr ist zu erkennen wie kontrolliert und mit welcher unglaublichen Sicherheit er diese Route im Griff hat. An der Schlüsselstelle nach 12 Metern – kein Wackeln oder Zögern. Selbst der Schlüsselzug am Übergang in etwas weniger überhängendes Gelände wird mit der gleichen Ruhe und Präzision wie die vorangegangenen Züge aufgelöst. Nach gerade mal drei Minuten war das Schauspiel beendet, der Film in der Kamera belichtet und die Mütze war wieder ein gefundener Anlass um herumzualbern.«
8b+
Text: Alexander Huber
Der Schleierwasserfall ist auch heute noch mein Favorit: Die Kletterei, meine Freunde, die Kulisse. Wenn ich von meinen Reisen wieder zuhause ankomme, dann dauert es meist nur wenige Tage bis ich den steilen Fels am Schleier berühre.
Hier kenne ich alle Griffe, alle Tritte. Kenne alle Tricks und Details. Mir liegt der Stil dieser Routen und das ist auch mit Sicherheit ein weiterer Grund, warum ich gerne hier bin. Hier fühle ich mich zuhause und genau diese Vertrautheit gibt mir die Grundlage, an meine Grenzen zu gehen. Den Kommunist free solo zu klettern ist meine Grenze.
22 Meter lang, stark überhängend, athletische Kletterei. Die Schlüsselstelle knapp zehn Meter über einem großen Felsblock. Genug, dass eine Landung nicht mehr in Frage kommen kann!
Es ist für mich die bewusste Suche nach der Grenze des für mich noch Machbaren. Ich wusste, dass ich mit der Free-Solo-Begehung des Opportunisten (8b) noch nicht die Grenze berührt hatte. Ich wusste aber auch, dass ich als Kletterer nur noch wenig Zeit haben würde, diese Grenze zu erreichen. Die Bandbreite meiner Aktivitäten und jedes Lebensjahr zehrt an meiner Leistungsfähigkeit als Sportkletterer.
Meine absolute Leistungsfähigkeit liegt tatsächlich nur noch wenig über dem, was der Kommunist verlangt. Dementsprechend gering sind in dieser Route auch meine Leistungsreserven. Ich konnte trotz intensiver Vorbereitung den Kommunist nicht jedes Mal durchsteigen - nur bei frischer, voller Kraft und bei guten Bedingungen. Und selbst dann war die Leistungsreserve schon dünn. Aber ich weiß mittlerweile sehr genau, wie ich funktioniere, wenn ich ohne Seil unterwegs bin. Das ermöglichte mir, die notwendige Leistungsreserve auf ein Minimum zu reduzieren.
20. April 2004. Um acht Uhr bin ich schon am Felsen. Ich wollte allein sein, nur eine Videokamera ist als stiller Beobachter mit dabei. Keiner kann mich stören und auch ich werde keinen stören. Ich klettere mich warm. Einige Boulderzüge und ich weiß, dass die Kraft genauso gut stimmt wie die Bedingungen. Es ist neun Uhr. Ich werde einsteigen. Gerade als ich am Einsteigen bin kommt ein Wanderer. Abwarten. Small Talk.
Nach fünf Minuten entscheide ich mich, nicht weiter zu warten. Damit mein Zuschauer beschäftigt ist, drücke ich ihm die Videokamera in die Hand. Ohne eigentlich genau zu wissen, was er denn da filmen wird, stellt er sich hinter die Kamera. Ich mache mich fertig und steige ein.
Es ist kühl, die Haut ist extrem zäh, der Grip dementsprechend fantastisch. Nur am Rastpunkt in 5 Meter Höhe, genau an der Stelle, an der der Kommunist den Opportunist verlässt, chalke ich genau einmal nach.
Dreifingerloch, Zweifingerloch, Untergriff, Leiste – nur wenige Griffe für die fünf entscheidenden Meter. Die raumgreifenden Züge verlangen explosives Klettern, lassen dabei kein Denken zu – es bleibt keine konkrete Erinnerung an einen Gedanken. Auch am Rastpunkt nach der Schlüsselstelle hält es mich nicht lange. Die restlichen zehn Meter im neunten Grad – ich will sie hinter mich bringen. Zwei mal ins Magnesia gegriffen und es geht weiter. Fünfzehn Kletterzüge und ich bin oben.
Ein kurzer Schrei, ein Blick zu meinem aufmerksamen Kameramann, ein schneller Abstieg über eine benachbarte Route im siebten Grad. Kurzes Händeschütteln. »Bist schon ein wilder Junge«. Breites Grinsen meinerseits, denn ich bin mir sicher, dass er trotz dieser Bemerkung nicht genau weiß, was er gefilmt hat.
KURZ UND KNACKIG
Text: Alexander Huber
Knallhart und unbarmherzig. Eigentlich »nur« mit IX+ bewertet, sehen die meisten die Mescalito nach der modernen Bewertung eher als X- an.
Beim Free Solo ist das aber in dieser Route eh ziemlich egal. Entscheidend ist nämlich die diffizile Natur der Kletterei und auch wenn die Route selbst nur zwölf Meter hat: vom Einstieg geht´s nochmal zwanzig Meter runter.
Schwierigkeit und Routenlänge hin oder her – die Mescalito ist mein knackigster Free Solo.
FREE SOLO AM
»ZAHN DES RIESEN«
Text: Alexander Huber
Am 27. Juli 2006 kletterte ich free solo durch die Südwand des Dent du Géant.
Insgesamt drei Tage investierte ich zur Vorbereitung in der Route. Beim ersten Mal kletterte ich die Südwand mit Marius Wiest »on sight«, eine Woche später durchstieg ich vor der eigentlichen Begehung die Südwand nochmals zusammen mit dem Tiroler Guido Unterwurzacher.
Die Herausforderung liegt mit Sicherheit weder in der reinen Schwierigkeit noch in der Länge, sondern vielmehr in der besonderen Exposition der Route inmitten der vergletscherten Welt des Hochgebirges.
Der Viertausender Dent du Géant ist einer der markantesten Gipfel des Montblancmassivs. Die 200 Meter hohe Südwand wurde 1935 von Burgasser und Leitz erstbegangen, verlangt in freier Kletterei den oberen siebten Grad und gehört zu den schönsten und steilsten Felsrouten an einem der hohen Alpengipfel.
FREE SOLO –
HinAUF UND HERUNTER
Text: Alexander Huber
Durch die in den Alpen einzigartig schöne Gestalt dieses Granitturmes war es für mich eine besondere Herausforderung, den schwierigsten Berg der Alpen free solo zu klettern. Auf einen freistehenden Turm free solo hinaufsteigen und dann dort oben am Gipfel mit dem Wissen zu stehen, dass man das alles jetzt auch wieder abklettern muss!
Anfang Juli war ich für diese Mission ein erstes Mal am Grand Capucin. Zusammen mit Werner Strittl erkundete ich das Vorhaben und fand auch entlang der Schweizerführe einen, bei Schwierigkeiten bis zum siebten Grad, verhältnismäßig leichten Weg.
Doch war das Problem mit dem Finden eines Weges zum Gipfels nicht gelöst. Ich musste nach einer Free-Solo-Besteigung schließlich auf irgendeine Weise vom Gipfel wieder runterkommen! Logischerweise erkundete ich dabei zuerst den Weg der Erstbesteiger aus dem Jahr 1924, der von der rückwärtigen Scharte direkt zum Gipfel führt. Die Überraschung war perfekt: direkt über der Scharte eine Welle aus monolithischen und senkrechten Granit.
Die Erstbegeher überwanden dieses Problem mit einer Art »Klettersteig« aus riesigen Eisenstiften, die sie alle fünf Meter im Granit versenkten. Was früher vermutlich mit Leitern und Seilen verbunden war, ist heute ein mit konventionellen Mitteln nicht mehr gangbarer Weg…
Wie also zurück? Eine Woche später erkundete ich mit Kurt Astner die Möglichkeiten und bald stellte sich heraus, dass es keine andere Lösung gibt: Zurück geht´s nur auf dem gleichen Weg, wie ich nach oben gekommen war! Entlang der Schweizerführe einfach wieder runter!
Die insgesamt 400 Meter Wandhöhe lassen sich in zwei Teile trennen. Auf ein 100 Meter hohes, leichtes Schneecouloir folgt 300 Meter reiner Fels. Nach meinen Erkundungsgängen kannte ich die Route und vor allem die schwierigen Kletterstellen, trotzdem musste ich für mein Vorhaben, völlig hilfsmittelfrei diesen exponierten Gipfel zu erklettern, noch zuwarten. Denn das für die Gletscherwelt im Montblanc-Massiv so segensreiche schneereiche Frühjahr machte einiges an Abwarten notwendig. Nur so konnte ich sicher sein, dass keine Risse wasserüberronnen oder sogar vereist sind.
Am 5. August war es dann endlich perfekt. Der Himmel war zwar voll bedeckt, aber die Bedingungen passten – der Fels und alle Risse waren mittlerweile vollständig trocken und eisfrei.
Um zehn Uhr startete ich vom Schneecouloir in den Fels, 59 Minuten später war ich oben. Am Gipfel waren die obligatorisch auftauchenden Bergdohlen meine einzige Gesellschaft und während es für die Bergdohlen völlig normal war, den Gipfel wieder hilfsmittelfrei zu verlassen, machte ich mich nach fünf Minuten Pause wieder auf dem Weg nach unten.
Logisch, dass der Abstieg erheblich schwieriger wurde als der Aufstieg. Beim Abklettern fehlt der Überblick, man ist im Bewegungsablauf bei weitem nicht so rund als auf dem Weg nach oben und als Extra gibt es noch die ständig notwendige Aussicht nach unten. Also volle Konzentration und nach einer Stunde und 46 Minuten war ich wieder unten bei meinen Steigeisen.
Der abschließende Abstieg über das Schneecouloir und vor allem über den riesigen Bergschrund war an diesem Tag denkbar einfach. Der durchgehend bedeckte Himmel bescherte mir zwar frische Bedingungen beim Klettern, aber dafür war jetzt beim Rückweg der Schnee im Couloir und am Bergschrund noch halbwegs durchgefroren und erlaubte mir einen sicheren Weg über das letzte, für Alleingänger beizeiten durchaus problematische Hindernis.
Schüsselkarspitze
Text: Alexander Huber
Mit sechszehn Jahren kletterte ich zusammen mit Thomas erstmals diese Erstbegehung von Wolfgang Güllich und Kurt Albert.
Locker vom Hocker ist aufgrund ihrer ästhetischen Natur etwas Besonderes, die erste Seillänge ist in ihrer Erscheinung einzigartig. Und dieses Besondere übte einen unwiderstehlichen Reiz aus. Lange schon hatte ich diesen »unmöglichen« Traum in mir und jetzt war ich in der Lage, mir diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen.
Nach kurzer Vorbereitung kletterte ich Locker vom Hocker im Herbst 2008 free solo.
LOS MALLOS DE RIGLOS
Text: Alexander Huber
Es gibt nur wenige Orte in der Kletterwelt, die auf mich einen ähnlich bleibenden Eindruck hinterlassen haben wie das kleine Dorf Riglos unter den senkrechten und überhängenden Wänden der Mallos.
Zwischen den großen Städten Pamplona und Zaragoza liegen diese wilden Konglomerattürme eingebettet in den letzten Ausläufern der Pyrenäen. Nicht mehr als hundert Meter sind es von der Kirche des Dorfes zum größten Turm, dem Mallo Pisón.
Mit seiner 250 Meter hohen, vom Wandfuß bis zum Gipfel durchgehend leicht überhängenden Wand gibt er einem das Gefühl, das man bekommt, wenn man unter den Nordwänden der Drei Zinnen steht. Und tatsächlich: vom Eindruck sind die Mallos die iberische Version der Drei Zinnen. Von der Dimension gesehen nur halb so hoch wie die Zinnen, sind die Mallos aber dafür garantiert nicht weniger steil als ihre berühmten Schwestern in den Dolomiten. Und die Wände der Mallos sind sonnendurchflutet, geben ihnen trotz der Steilheit einen freundlichen Charakter.
Tatsächlich sind die Mallos eine für das Tal des Ebro charakteristische geologische Formation. Die massigen Türme und dünnen Felsnadeln bestehen ausschließlich aus Konglomerat. Ein Sammelsurium von großen Felsbrocken, mittelgroßen Steine und kleinen Kiesel, eingebacken in einer Mischung aus Sand, Ton und einem kalkartigen Bindemittel. Manche der eingeschlossenen Brocken sind dabei so groß, dass sie durchaus einen Meter aus der Wand ragen.
Auf einer Vortragsreise konnte ich die Gelegenheit nutzen, einen der großen Klassiker, die Murciana am Mallo Pisón zu klettern. Und der Traum machte sich im Kopf fest. Es muss genial sein, diese Route free solo zu klettern, vor allem weil bei diesem freistehenden Turm wie am Grand Capucin abgeklettert werden muss.
Zum Jahresauftakt 2009 setzte ich diesen Traum um.
1. Direttissima/Hasse-Brandler
GROSSE ZINNE
Nordwand, 2.999 Meter
Dolomiten, Südtirol, Italien
DIRETTISSIMA/HASSE-BRANDLER
550 Meter, 20 Seillängen, VIII+
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2. OPPORTUNIST
SCHLEIERWASSERFALL
Wilder Kaiser, Tirol, Österreich
OPPORTUNIST
18 Meter, X od. 8b
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3. KOMMUNIST
SCHLEIERWASSERFALL
Wilder Kaiser, Tirol, Österreich
KOMMUNIST
22 Meter, X+ od. 8b+
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4. MESCALITO
KARLSTEIN
Bad Reichenhall, Bayern, Deutschland
MESCALITO
12 Meter, IX+ od. 8a
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5. Dent du Géant, Südwand
5. Dent du Géant
4.013 Meter, Montblanc, Italien/Frankreich
SÜDWAND
200 Meter, VII+ od. 6c
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6. GRAND CAPUCIN, SCHWEIZERFÜHRE
GRAND CAPUCIN
3.838 Meter, Montblanc, Frankreich
SCHWEIZERFÜHRE
400 Meter, 6b+ od. VII+
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7. LOCKER VOM HOCKER
SCHÜSSELKARSPITZE
2.555 Meter, Wetterstein, Österreich
LOCKER VOM HOCKER
8 Seillängen, 7a+ od. VIII
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8. MURCIANA
MALLO PISÓN
Mallos de Riglos, Spanien
MURCIANA
8 Seilängen, 6c od. VII+
FREE SOLO
DVD (2007), Lauflänge: 53 Minuten
Mehr Infos im Online-Shop
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FREE SOLO
Taschenbuch, 208 Seiten Mehr Infos im Online-Shop
Géant